13 Februar 2011

Warum Stuttgart 21 für Stuttgart eine Katastrophe ist.

Beim Fakten Check mit Heiner Geißler wurden alle Aspekte von Stuttgart 21 besprochen, und der Schlichterspruch S21+ zeigt mir, das Heiner Geissler das Zentrale Problem von Stuttgart 21 verstanden hat. Was er nicht geschafft hat, dies einem Breiteren Publikum verständlich zu machen. Aus diesem Grund habe ich genötigt gesehen, diesen zugegeben ungewöhnlich langen Artikel zu verfassen.

Die Bahn und Herr Mappus versuchen in der Zwischenzeit sehr erfolgreich, die Wahrnehmung der Wähler auf Aspekte zu lenken, von denen die Protagonisten annehmen, das die eigene Wählerschaft diese als weniger wichtig einstuft. So wurde in der Vergangenen Woche die Aktion Baumschubsen gestartet, und Bäume geräuschintensiv mit viel Polizei und bereitwillig anspringende Demonstranten zu verpflanzen. Durch schlampig anmutende Arbeit, wie riesige Luftspalte zwischen den Erdballen der verpflanzten Bäume und dem Boden, habe diese noch weiter auf Touren gebracht. Das Fazit dieser Erfolgreichen Krisenpolitik: Alle Reden über Bäume, Fahrzeuge ohne Abgasfilter, eine Bahn die sich an die Vorgaben der Schlichtung hält, aber keiner Redet über den Stresstest.

Aber genau dieser Stresstest ist essentiell, zeigt er das Stuttgart 21 eben nicht den Bürgern von Baden Württemberg nutzt, sondern vielmehr den Weinstubenjongleuren und der Deutschen Bahn. Ein Bahnhof in zentraler Lage, der keine zusätzlichen Züge zulässt, ist genau das, was die Bahn braucht, um sich Konkurrenz vom Hals zu halten. Von der vielen Staatskohle für die Planung eines so teuren, also komplizierten, Vorhaben, gibst anteilsmäßig auch viel Geld. Außerdem drückt sich die Bahn auf diese weiße von der Sanierung des Tunnelgebirges.

Viele von Uns haben einen Führerschein, und neigen von daher dazu, die Schienen mit den Augen eines KFZ Lenkers zu betrachten. Das erste was einem da Auffällt, Schienen sind immer leer. Ohne einzusehen, da dies eine falsche Wahrnehmung ist, wird man immer S21 für eine gelungene Planung halten. Im Gegensatz zu Autos können Züge ihre Spur nicht verlassen, es sei den es existiert eine Weiche, wo sich ein Fahrweg gabelt oder zwei zusammengeführt werden.

Auf der folgenden Strecke ist oben der Fahrweg eingezeichnet, nach unten die Zeit. Ein Kästchen ist in horizontaler Richtung ein z.B. ein km, in vertikaler Richtung eine Minute. Dann lässt sich die Fahrt eines Zuges als Linie über dieses Blatt darstellen. Wir sehen verschiedene Züge von links nach rechts Fahren. Jeweils an den Haltestellen werden sie langsamer, bis Sie ganz zum stehen kommen. Dann verlaufen die Linien senkrecht. Nachdem Halt setzt der Zug seine Reise fort. Mit Abständen, die dem Fahrplan entsprechen folgen weitere Züge.



Was darf jetzt auf so einem Gleis nicht passieren. Nun zum einen dürfen die Züge nicht schneller Fahren, als zugelassen, weil sonst nicht gewährleistet ist, das der Zug überhaupt im Gleis bleibt. Des weiteren darf kein Zug entgegenkommen. Klingt trivial aber gerade vor ein paar tagen hat die Bahn bewiesen, das es doch nicht flächendeckend hin bekommt, weil die nötige Sicherheitstechnik fehlt. Dies ist auf der rechten Seite dargestellt, wo eine langsame Rangierlok, erkennbar an der steileren Linie mit weniger km pro Minute, einen Frontalzusammenzos verursacht. Abschließend kann ein Zug auch noch stechen bleiben, wegen eines Unfalls, eines Defekts oder auch weil ein Passagier die Notbremse gezogen hat. Dargestellt auf der linken Seite, wo der nachfolgende Zug wartet (senkrechte Linie), weil das Gleis versperrt ist, und der der nächste hinten drauf donnert.



Was geschieht, um das zu verhindern? Zunächst muss ich nochmal auf die Erfahrungen der Leser mit KFZ zurückkommen. Jeder von uns, der ein KFZ lenken darf, weiß, das er seine Ladung sichern muss. Und wie ist das beider Bahn? Nun Logistiker schätzen die Bahn dafür, das es dort nicht nötig ist. Warum nicht? Nun eine Zug kann, verglichen mit einem KFZ oder LKW so gut wie nicht Bremsen, weil Eisen sehr viel Glatter ist als Asphalt. Züge haben also einen sehr viel größeren Bremsweg und Bremsen weicher, weshalb Sicherheits- und Spanngurte entfallen können. Insofern ist der nötige Sicherheitsabstand sehr viel größer als beim KFZ.

Gleichzeitig kann jeder Zug aber auch verspätet sein. Das muss ja nicht mal die Schuld der Bahn sein. Kann ja immer mal sein, das ein Zug nicht pünktlich abfahren kann. Es kann ja zum Beispiel ein Problem mit dem Verladen eines Kinderwaagen oder Rollstuhl geben oder ein Passagier einfach nur auf der Stiege daneben treten. Hierzu gesellen sich die typischen Technischen Unzulänglichkeiten der Bahn. Aus der täglichen Erfahrung kennt man das, das Züge immer einige Minuten Verspätung haben. Kann ein Zug eigendlich auch verfrüht sein? Ja, aber nur bis zum nächsten halt. Dort muss er Warten, weil sich sonst Passagiere beschweren würden.

Was passiert, wenn ein Zug Verspätung hat? Ich habe das mal für den Halt im linken Bahnhof eingezeichnet. Sagen wir, ein gehbehinderter Passagier hat ein Problem mit seinem Gepäck, der Aufenthalt im Bahnhof ist länger. Jetzt ist der Zug verspätet, also auf der blauen, tieferen Graphen unterwegs. Welche Optionen hat er nun, Zeit wieder gutzumachen? Zum einen kann der Schaffner versuchen die folgenden Aufenthalte kürzer zu gestalten, zum anderen kann der Lockführer etwas schneller zu fahren. Erkennbar ist das an dem etwas flacheren blauen Graphen. Letzteres geht natürlich nur, wenn der Fahrplan nicht darauf beruht, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu fahren. Schummeln geht nicht, weil sonst die Sicherheitstechnik eine Zwangsbremsung auslöst.

In der linken Seite habe ich für einige exemplarische Fahrplanmäßige Positionen den wegen Sicherheitsabstand und Verspätungen freizuhaltenden Bereich eingezeichnet. Die Verspätungen reichen immer 5 Minuten nach unten, der Sicherheitsabstand wächst aus physikalischen Gründen mit dem Quadrat der Geschwindigkeit, das heißt, doppelte Geschwindigkeit vierfacher Sicherheitsabstand. Da dies aber für jeden Punkt des Graphen gelten muss, ergeben sich die auf der rechten Seite eingezeichneten Bereiche.



Züge fahren bei jedem Wetter, so der Anspruch der Bahn. Also auch bei Nebel, wenn der Lockführer gar nicht die Sicht über seinen Sicherheitsabstand hat. Aus diesem Grund gibt es die Bocksignale. Die befinden sich typischerweise am ende eines Haltepunkt. Sie zeigen Grün, wenn sich auf dem Streckenabschnitt der hinter dem Signal ist, sich kein Zug befindet, und rot, wenn sich dort ein Zug befindet. Demzufolge darf sich auch kein potentiell verspäteter Zug auf Bereich befinden und der nächste Zug kann erst einfahren, wenn der Zug den Bereich verlassen hat. Daraus ergeben sich bei Fahrplanmäßigen Betrieb die Grauen Rechtecke, die wegen der Sicherheitstechnik frei bleiben müssen.

Natürlich müssten auch bei diesen durch die Sicherheitstechnik entstehenden Verdrängungen auch wieder die Verspätungen mit zugegeben werden, weil sonst die Sicherheitstechnik eine Zwangsbremsung auslösen würde. Dies sind die blauen Flächen unter den grauen Rechteckigen Flächen. Man erkennt, das das Design dieser Strecken nur einen Zug alle 15 Minuten zulässt. Warum macht es dann überhaupt Sinn, schienen zu verlegen, wenn fast niemals jemand darauf Fahren kann? Nun, man kann bei Schienen sehr viel mehr auf einmal Transportieren, indem man viele Waagen an eine Lok hängt. Die Kapazität einer Strecke hängt also ganz wesentlich von der Sicherheitstechnischen Ausstattung ab. Achten Sie mal auf der S-Bahn strecke von Hauptbahnhof zur Universität auf den Abstand der Signale. Der ist bis zur Schwabstrasse seht viel kürzer, damit die Züge in kurzer folgen Fahren können. Auf der Strecke zur Universität sind dann nur noch sehr wenige Blocksignale vorhanden, also die Flächen werden sehr groß, so das nur die vorgesehenen 6 Züge pro Stunde Fahren können. Fazit, die S-Bahnen könnten gar nicht alle weiterfahren!



Kommen wir jetzt zu einem Fahrplan mit Nähverkehrszügen und überregionalen Zügen. Den Nahverkehr, der in jedem Bahnhof hält den kennen sie schon. Jetzt zeichnen wir in unsere Grafik unten einen Zug ein, der die ganze strecke ohne anzuhalten durchführt. Ich nenne Ihn ICE. Es entfallen also die Senkrechten Bereiche des Graphen, welche die halte repräsentiert. Zu beachten ist, das das Blocksignal schon eine gewisse Zeit vor dem Passieren des Zuges auf grün stechen muß. Wäre das nicht der Fall, würde die Sicherheitstechnik des ICE über Vorsignale und die zugehörigen Magnete vorsorglich abbremsen. Das Signal muss also spätestens dann auf grün stechen, wenn der vordere Rand des Sicherheitsabstand des ICE das Signal passiert. Das ist der Grund, warum die Blocksignale gerne hinter Bahnhöfen stehen, die haltenden Zügen haben hier einen minimalen Sicherheitsabstandsbedarf.

Der durchfahrende ICE kommt auf der Strecke sehr viel schneller voran als der Nähverkehrszug. Die S-Bahn heißt Schnellbahn, weil sie zwischen den Stationen so schnell fährt, da Sie im Gegensatz zur Straßenbahn welche wie ein KFZ auf Sicht gefahren wird, die Sicherheitstechnik braucht. Wegen der vielen Aufenthalte, kommt sie insgesamt aber nur langsam voran. Der ICE wird also auf die vor ihm Fahrenden S-Bahn auffahren. Da ein Zug nicht einfach verschwinden kann, muss auch die lila eingefärbte Fläche freigehalten werden. Diese Lila Fläche Gibt es natürlich auch noch einmal unterhalb des ICE, weil die nachfolgende S-Bahn nicht folgen kann und die Lücke immer größer wird. Dieser Verlust an Verkehrskapazität ist der Grund, warum S-Bahnen möglichst ihre eigenen Gleise bekommen.



Nach dieser Einführung in die Probleme der Fahrplangestaltung, können wir jetzt endlich des Pudels Kern behandeln. Rund um Stuttgart 21 sind sehr viele eingleissiege Abschnitte vorgesehen. Das kann die klassische eingleisige Strecke sein, wie die westliche Verbindungen des Flughafenfernbahnhofs oder die östliche des S-Bahnhof die für die ICE's aus Basel Verwendung finden soll oder die berüchtigte kleine Wendlinger Kurve. Eine ebenerdiges Einfädeln über das Gegengleis produziert aber auch eine, wenn auch sehr kurze, eingleisige Strecke. Davon gibt es in der Wendlinger Kurve noch je zwei weitere sowie eine in der Rohrer Kurve.

In der folgen Grafik habe ich oben zwei Gleise eingezeichnet. Ein rotes mit dem von links nach rechts gefahren wird, und ein weiteres rotes, mit dem von rechts nach links gefahren wird. Demzufolge sind auch grüne Züge eingezeichnet, die von links nach rechts Fahren, und rote, die von rechts nach links fahren. Außerhalb des eingleisigen Abschnitts können die Züge aneinander auf verschiedenen Gleisen passieren. Das bedeutet, die roten Flächen dürfen sich nicht berühren und die grünen Flächen dürfen sich nicht berühren. Im eingleisigen Bereich habe ich die Flächen in weiß gehalten, weil sie sich dort natürlich nichts berühren darf. Des weiteren ist anzumerken, das ich hier nur den Sicherheitsabstand, die Fläche oberhalb des Graphen, und die Verspätungszone, die Fläche unterhalb des Graphen eingezeichnet habe. Die Blocksignale lasse ich hier mal außen vor, weil auf den Neubaustrecken die Zugsicherheit nicht mehr per Signale Punktweise, sondern durch eine GPS artiges System kontinuierlich durchgeführt wird. Bei Blocksignalen würden bei 250 km/h die Sicherheitsabstände so groß, das mitunter das Vorsignal noch vor dem Hauptsignal des Blocks davor erfolgen müsste.



Wichtig ist, zu verstehen, das in dem unten eingezeichneten Fahrplan nicht nur das eingleisige Stück voll ist, sondern auch alle anderen Gleise. Zwar könnte man zum Beispiel zwischen die beiden grünen Zügen auf der dunkel lila Fläche einen weiteren Zug nach rechts fahren lassen, doch der würde an der eingleisigen Stelle nirgendwo hin können. Das ist das gleiche wie mit dem ICE der auf die S-Bahn aufläuft. Auch hier wird viel Verkehrsleistung verbrannt. Auch entsteht nach der eingleisigen Stelle ein Schatten durch den entgegenkommen roten Zug, also Zeiten zu denen kein Zug mehr kommen kann. Man muss wissen, das dieses mit zunehmenden Abstand, solange sich die Strecke keinen Kontenpunkt passiert, auch nicht ändert. Das heißt, diese Streifen, wo kein Zug fahren kann, die verlängern sich bis zum nächsten großen Bahnhof wo sich verschiedene Strecken treffen.




Das ist der Grund, warum alle Gutachten die den Bahnhof oder andere Abschnitte alleine betrachten nichtig sind, weil die Züge zählen, die zu der Zeit nicht fahren können weil außerhalb kein weiterkommen ist.

Das Problem an Stuttgart 21: Diese Streifenmuster treffen auf andere eingleisige Abschnitte und blockieren sich gegenseitig, weil hier und da und dort noch ein Milliönchen eingespart werden musste, um die Politischen Schmerzgrenzen zumindest bis zu einem unumkehrbaren Punkt nicht zu verletzen. Was haben jetzt also die Fahrplan Planer gemacht? Sie habe, um Platz zu bekommen, mal einfach deklaratorisch gesagt, die Zügen haben nur noch maximal eine Minute Verspätung. Das ist jetzt der Punkt, wo jeder der schon mal Bahn gefahren ist, vor lachen vom Stuhl fällt.

Verspätungen sind bei der Bahn so allgegenwärtig und unvermeidbar wie die Schwerkraft, was passiert also, wenn ein Zug zwischen einer und fünf Minuten Verspätung hat, der Fahrplan aber nur Verspätungsstreifen von einer Minute hat? Dann muss einer der Züge warten, je nachdem welcher wichtiger ist. In der folgenden Grafik habe ich das für den ersten Zug von links nach rechts mal eingezeichnet. Er wird also nach der eingleisigen Stelle zu einem Zeitpunkt unterwegs sein, wo er das nicht sein sollte.



Er wird also auch zur Unzeit an der nächsten eingleisigen Stelle eintreffen, so das er seine Verspätung nicht abbaut, sondern weitere Verspätung aufnimmt und, schlimmer noch, über die Sicherheitstechnik und Ihre Ausschlüsse weitere Züge damit ansteckt. Da nun im statistischen Mittel Verspätungen schneller weitergereicht werden als sie abgebaut werden, funktioniert im neuen Bahnhof nichts mehr. Dann müssen entweder aufwändig weitere Tunnel gebaut werden, oder aber der Fahrplan so umgebaut werden, das deutlich langsamer als möglich gefahren wird, damit die Lokführer genügend Reserven haben, um die Verspätungen innerhalb sehr kurzer Zeit wieder zu fahren zu können. Nur, warum wird dann soviel Geld verpulvert, für die schonen neuen Schnellfahrstrecken, wenn man dann doch langsam fährt, nur um in den Nadelröhren ja pünktlich sein zu können. Bei den zu erwarteten Verspätungslawienen wird sich dann auch noch der Mangel an Bahnsteiggleisen in Stuttgart Hauptbahnhof zum katastrophalen Problem werden, weil es im Weichensystem des Bahnhofs natürlich auch Fahrstraßenausschlüsse gibt. S21 darf nicht gebaut werden. Besser K21 oder auch meine Alternative V21, die sich dadurch auszeichnet, das ein Großteil der Planungskosten erhalten werden kann.

Creative Commons Lizenzvertrag
Warum Stuttgat 21 für Stuttgart eine Katastrophe ist. von Hans Carlos Hofmann steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported Lizenz.

Nachtrag 6.3.: Die Frist für die Unterschrifteinsammlung des neuen Bürgerbegehren um das Projekt über die verfassungswidrigen Finanztricksereien zu stoppen läuft am 14.03.2011 aus. Es ist sofortiges Handeln angesagt!

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