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30 Oktober 2010

Diskussionen über Reisezeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln wie dem ÖPNV

Die Politik tut immer verwundert, warum der öffentliche Personen Nahverkehr an vielen Orten nur schleppend bis garnicht angenommen wird. Heute werden in der Diskussion immer nur die einfachen Fahrzeiten von A nach B angeführt. Das führt meiner Meinung nach dazu, das die Wartezeiten nicht adäquat berücksichtigt werden. Diese Angabe ist aber nur für Menschen von Relevanz, die ihre Bedürfnisse exakt an den Fahrplan des Systems ausrichten können.

Das ist aber nur in einem sehr geringen Anteil der Leute der Fall. Für alle, die ohne gleitende Arbeitszeit Arbeiten gehen zum Beispiel gilt das nicht. Es gilt auch nicht für alle, die in irgendeiner Weiße in der Außenbeziehung ihres Unternehmens tätig sind. Weil wenn z.B. ein Kunde bei einer Firma anruft, kann der Mitarbeiter nicht mitten im Gespräch sagen "sorry ich übergebe sie mal an einen Mitarbeiter, ich muss zum Zug oder Bus".

Wenn der Bedarf der Reise zufällig gleich verteilt über die Zeit auftritt, so ergibt sich bei einem Takt gebundenen System eine mittlere Wartezeit von der halben Taktzeit. Das kann man sich vereinfacht so erklären: Stellen Sie sich vor es kommt jede Minute ein Reisewunsch und wir haben eine Taktzeit von einer Stunde. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehme ich an, der Zug fährt zur Minute 0. Jetzt kann man je zwei Reisewünsche so zusammenfassen, das im Mittel eine halbe Stunde gewartet werden muss. (31 + 29) /2 = 30; (32 + 28) / 2 = 30; ... ; (59 + 1) / 2 =30. Jetzt bleiben noch 30 und 0 Minuten übrig, man kann aber zeigen, das bei einem Übergang zu immer feineren Strukturen dieser Fall keine Rolle spielt, da der Anteil der 0 von 1/60 immer kleiner wird, je kleiner die Schrittweite der Betrachtung wird.

Bei einem Taktsystem ist also die halbe Taktzeit als mittlere Wartezeit anzusehen. Wie sieht das jetzt aus, wenn zu den Stoßzeiten sogenannte "Verstärkerzüge" hinzukommen oder der Takt zeitweise, z.B. am Nachmittag oder in der Nacht ausgesetzt wird? Das hat den Grund, das die Züge oder Busse in dieser Zeit meist sehr leer sind. Man kann also sagen, das Verkehrsaufkommen schwankt, ist aber im Allgemeinen aber so, das pro Zug eine annähernd konstante Zahl von Leuten transportiert werden. Damit sind dann für die mittlere Wartezeit das Mittel der halben Zugabstände einzusetzen.

Bleibt jetzt noch zu klären, ob man die Menschen in das Mittel der Wartezeit berücksichtigen sollte, welche sich nach der Bahn richten können. Dagegen spricht, das Leute die Zug verpassen, die volle Taktzeit auf den nächsten Warten müssen. Außerdem müsste dieser Faktor je nach Strecke jeweils anderes Berechnet werden, so ist zum Beispiel bei einer Flughafenanbindung wegen des dortigen Flugplans gar keine Anpassung des Reisewunsch möglich. Bei einem Standteil mit einem oder wenigen produzierenden Arbeitgebern mit durchgängiger gleitenden Arbeitszeit in der Nähe der Haltestelle könnte man gegebenenfalls von einem Signifikanten Anteil an Leuten, die passend kommen, annehmen. Nicht desto trotz ist dieser erzwungene Zeitpunkt eine Einschränkung der Freiheit im Vergleich zum Auto. Aus diesem Grund trete ich dafür ein, das die "Reisezeit" einer Verbindung im öffentlichen Verkehr zur Versachlichung der Diskussion immer als reiner Fahrzeit plus das halbe Mittel der Abstände zwischen den Anfahrzeitpunkten angegeben werden muß. Am liebsten wäre es mir, dieses per EU Verordnung zum Verbraucherschutz festzulegen, um eine horrende Fehlallokation von Geldmitteln wie bei Stuttgart 21 erheblich zu erschweren.

Was heißt das jetzt Konkret z.B. für Stuttgart 21? Betrachten wir mal die Flughafenanbindung an den Hauptbahnhof. Zu diesem Thema wurde bei den Schlichtungsgesprächen die folgende Folie gezeigt.


Eine Verringerung der Fahrzeit von 27 auf 8 Minuten, das klingt cool, ist es aber nicht, wenn man auf die oben definierten Reisezeiten übergeht. Nach Fahrplan Auskunft kann man die S2 und die S3 nehmen. Die Abstände zwischen den Zügen betragen, laut Fahrplan Auskunft, abwechselnd 10 und 20 Minuten. die Mittlere Wartezeit beträgt also nach der obigen Formel 7 Minuten 30 Sekunden. Die Reisezeit beträgt also 34 Minuten 30 Sekunden. Und der 8 Minuten ICE? Nun dieser Zug fährt nur alle 2 Stunden. Mittlere Wartezeit als 60 Minuten, Reisezeit also 68 Minuten. Kurz, die Verbindung ist für den Kunden fast völlig ohne Nutzen. Nur bei 2 S-Bahnen pro 2 Stunden kann er Zeit sparen, sofern Geld für die teurere Fahrkarte keine Rolle spielt. 15 Minuten im Mittel Warten folgen 8 Minuten Fahrzeit. Ein viertel der Nutzer können im ICE also mit 23 Minuten Reisezeit auskommen. Insgesamt liegt also die Reisezeit für S-Bahn & ICE zusammen bei 31,625 Minuten, also eine Verbesserung durch den Fildertunnel von 2,875 Minuten. Das ist ein lächerlicher Nutzen!

Eine Verbesserung für den Kunden ist mit einer zusätzlichen Express-S-Bahn für die Kunden viel Besser optimiert. S2 und S3 halten auf dem Weg zum Flughafen 10 Mal, was mit mindestens 15 Minuten zur Fahrzeit beitragt. Der Tunnel ist sicher voll, aber eine durchfahrende Express U-Bahn kann über die Gäubahn fahren. Dies Strecke HBH Flughafen sollte so ein weniger als 14 Minuten zu bewältigen sein, so mit einer Investition in 3 Zügen, welche im 10 Minutentakt zwischen HBH und Flughafen pendeln, die Reisezeit sich auf 14 Minuten Fahrzeit + 5 Minuten Wartezeit = 19 Minuten verringern lässt. Das sind glatte 15 Weniger für, im Vergleich zu Stuttgart 21 fast gar kein Geld. Selbst die Reisezeiten von z.B der Schwabstraße zum Flughafen fallen noch signifikant, weil sich oft lohnt, z.B. man wenn man über 10 Minuten Wartezeit die nächste S-Bahn zum HBH nehmen kann, um von dort die neue Express S-Bahn zu nehmen.

Um die Auswirkungen falscher Investitionen der Bahn AG zu dokumentieren, möchte ich auf die Gemeinde Kinding im Altmühltal hinweisen. Sie liegt an der neuen Schnellfahrtecke von Nürnberg nach Ingolstadt. Will man von Ingolstadt nach Kinnding Fahren, so braucht man dafür nur 15 Minuten Fahrzeit.




Aber er fährt, nach Auskunft der DB, nur alle 2 Stunden ein Zug. Das macht also eine völlig unbrauchbare Reisezeit von 75 Minuten. Jeder der Flexibilität braucht, muß das Auto nehmen. Warum fahren so wenige Züge? Weil der sogenannte Trassenpreis horrend hoch ist, um die bei der Beantragung nötige Wirtschaftlichkeit auf dem Papier zu gewährleisten. Nebenbei bemerkt, von den dort aufgeführten Güterzügen ist noch nicht einer gefahren! Bis eine solche Betrachtung der Reisezeit EU Pflicht wird, muß man halt jedem Kommunalpolitiker der das nicht macht, seine eigene "Lügenpack, Lügenpack" Demo organisieren.

2 Kommentare:

kameamea hat gesagt…

Sehr gute und wichtige Gedanken.

Eine kleine Korrektur: Die mittl. Wartezeit auf S2/S3 bei 10/20-Minuten-Takt ist nicht 7.5 Minuten. Das wäre der Fall bei 15-Minuten-Takt, aber ganz sicher nicht, falls die Bahnen hypothetisch im 1/29-Minuten-Takt fahre würden. Bei 10/20-Minuten-Takt ist für 1/3 der Fahrgäste die Wartezeit 5 Minuten und für 2/3 ist sie 10 Minuten, im Mittel also 8.333 Minuten.

C.Hofmann hat gesagt…

Das stimmt, sofern man absolute Gleichmäßigkeit annimmt. Ich habe aber bei schwankender Zugfolge angenommen, das während der Verdichtungen auch mehr Passagiere anfallen, weil Betreiber in der Regel die Züge gleichmäßig Auslasten wollen. Das stimmt für die Verstärkerzüge auf jeden Fall, wie es mit der S-Bahn aussieht ist, das hängt vom Fernbahnfahrplan und Busfahrplan ab. Ich wollte eine durchgehende einfache Definition erstellen, die immer Anwendbar ist.