06 August 2009

Großbritanniens abgleiten in den orwellschen Überwachungsstaat

Großbritannien hat keine geschriebene Verfassung. Die politische Willensbildung ist nur den Traditionen des Landes verpflichtet. Das hat den Nachteil, das es keine klar definierten Grenzen für gesellschaftliche Entwicklungen gibt. Das wird natürlich immer dann zum Problem, wenn es sich um eine Entwicklung in eine falsche Richtung geht. So wahr Großbritannien für Jahrzehnte im Würgegriff der Gewerkschaften gefangen. Das ging soweit, das auf einer E-Lock ein Heizer mitgefahren ist. Dieser hatte nichts zu tun, außer den gewerkschaftlichen Machtanspruch zu repräsentieren. Die Gewerkschaften wollten mit dieser absurden Regelung der Freisetzung von Mitarbeitern entgegenwirken. Nur wenn sich das häuft wird eine Volkswirtschaft so ineffektive, das Sie nicht mehr konkurrenzfähig ist. Margaret Thatcher machte dann mit diesem Unfug schluß, und führte Großbritannien wieder zurück in die Realität.

1948 beschrieb der Autor George Orwell seinen Zukunftsroman 1984, in dem er einen, auf der damals neuen Fernsehtechnologie basierenden, Überwachungsstaat mit allen gesellschaftlichen Konsequenzen darstellt. Es war als Warnung an seine Landsleute gedacht, aber die scheinen den Roman wohl eher als Anleitung verstanden zu haben.

Das Problem war, das Großbritannien durch historische Verquickungen mit der IRA um Nordirland im streit lag. Dabei wurde von der IRA die Taktik des Guerillakrieg gewählt, nach Lesart Großbritanniens Terrorismus. Um diesen einzudämmen wurden Unmengen an Überwachungskameras an nahezu allen öffentlichen Plätzen. Aufgrund der großen Gefahr in dieser Auseinandersetzung verletzt zu werden, wie zum Beispiel beim Anschlag mit einem Lastwagen voller Sprengstoff in Manchester welcher die gesamte Innenstadt verwüstete, war und ist die Akzeptanz der Bevölkerung wohl gegeben, jedenfalls ist mir kein nennenswerter Widerspruch bekannt.

Klingt vernünftig, aber wie gefährlich die Entwicklung ist, zeigt sich in der aktuellen Diskussion um die Jugendfürsorge durch Überwachung. Das neuste Projekt des britischen Familienministers will 20000 Familien unter Videoüberwachung in jedem Raum stellen, um wie es heißt, um die Kinder von "gefährlichen" Eltern zu schützen. Die Familien sollen rund um die Uhr überwacht werden, um sicherzustellen, dass ihre Kinder in die Schule gehen und täglich etwas zu essen erhalten. Von Freiwilligkeit kann bei dieser Maßnahme keine Rede sein. Vermutlich läuft drauf hinaus, daß das Jugendamt vorgibt: "Kinder ins Heim" oder "Kameras".

Nur damit sind dann die Briten nur noch einen Wimpern schlag von orwellschen Szenario entfernt. Denn irgendwann wird die Fraktion der Gerechtigkeitsfanatiker sich zu Wort melden, und immer größre Gruppe der Kinder überwachen wollen. Die Flut der Daten wird irgendwann nicht mehr Manuell auszuwerten sein, so das die jetzt schon vorhandene automatische Kennzeichen Erkennung an Kraftfahrzeugen auf weitere Ereignisse ausgedehnt werden, z.B. das im Roman vorkommende GV Verzeichnis. Neuhochdeutsch, wer poppt wen, wann, wie, wo und wie oft. Wie heißt es in Krieg der Sterne: Erhebt euch Lord Big Brother.

Wenn dann irgendwann alle Kinder optimal geschützt sind, dann stellt sich den Menschen die Frage: Kinder oder Bürgerrechte? Das dürfte zu einem merkbaren Rückgang der Geburten führen. Um das zu verhindern, werden vermutlich einfach alle Menschen unter Beobachtung gestellt, so dass alle Deformationen wie Neusprech, die gesamte Bevölkerung umfassen wird. Ob die Briten eine zweite Margaret Thatcher finden werden, die sie aus dem angerührten Schlamassel wieder rausführt?

Nachtrag vom 15 August: Das die Totalüberwachung sich nur gegen die Bevölkerung richtet, zeigt ein spektakulärer Vorfall am 13 August. Zwei Gangster haben sich von einem Maskenbildner, vorgeblich für ein Musikvideo, komplett umgestalten lassen. Dann sind sie ganz offen bei einem Nobeljuwelier aufgelaufen und habe diesen mit Waffengewalt um die Rekordsumme von 23000000Ł erleichtert, fast 50000000€. Wenn sie vorgesorgt haben und in guter alter britischer Tradition mit einer Brasilianerin ein Kind haben, dann können Sie wenn sie wollen den Rest ihres Leben angenehm in Rio de Janeiro verbringen.

Nachtrag vom 16 August: Auch die Briten schätzen es wohl nicht, Tag und Nacht beschnüffelt zu werden. Jedenfalls hat die jetzt auch in Großbritannien vorhandene Piratenpartei 100 Eintritte, und zwar pro Stunde! Da stellt sich die Frage, ob es so etwas schon mal gegeben hat?

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