12 August 2012

Gibt es ein neues, universelles und gefährliches Problem mit den Reaktordruckbehälter der Atomkraftwerke?

Ein Atomkraftwerk ist vom Prinzip her, zumindest bei uns, eine Metalldose, in der sich eine wohldosierte Menge an Uran befindet, welches das Kühlmittel in der Metalldose, die offiziell Reaktordruckbehälter heißt, heiß macht. Da das Kühlmittel sich darauf hin Ausdehnen und Verdampfen will, entsteht ein enormer Druck. Mit der Hitze wird den Dampf erzeugt (Druckwasserreaktor)

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oder aber Mann lässt das Wasser direkt Verdampfen und Treibt damit die Turbine an. Das ist dann ein Siedewasserreaktor.

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Es gibt in anderen Teilen der Welt auch Reaktoren, bei denen das Core nicht komplett in einem Reaktordruckbehälter sondern das Core auf verschiedene Druckröhren verteil ist. Der Reaktor von Cronobyl war zum Beispiel von dieser aufgeteilten Bauweise. Hier nochmal ein Foto, das einen solchen Behälter im Rohbauzustand zeigt.

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Wenn man jetzt einen Reaktorsicherheitsmenschen fragt, was denn die größte Sicherheitstechnische Herausforderung ist, dann heißt die Antwort: ein GAU. Der Größte anzunehmende Unfall wird definiert als das Abreisen einer der größten Kühlmittelleitungen. Im dem Bild sind das die Stutzen, die aus dem Reaktordruckbehälter herausragen. Diese sind mit einem Blindflansch verschlossen. Dort werden dann Später die weiteren Rohre an geflanscht.

Nun kann man diesen Reaktordruckbehälter aber auch als auf beiden Seiten verschlossenes großes Stück Rohr betrachten. Das wirft aber eine Spannende Frage auf: Wieso kann nicht auch dieses Stück Rohr brechen, und müsste das dann nicht der GAU sein. Diese Frage habe ich mich in den achziger Jahre als Heranwachsender auch gestellt, und hatte da auch eine gute Quelle, weil mein Vater in den Siebzigern für die Atomaufsicht als Metallurge gearbeitet hat.

Die Antwort war, das zum einem bei Kesseln die Defekte durch Ermüdung bei den Zuleitungen passieren, weil diese durch Schwingungen während des Betrieb ermüden könnten. Der Kessel hingegen sein ein Zusammenhängendes Teil. Dort könne allenfalls die Neutronenstrahlung aus dem Atomaren Core das Material verändern.

Dafür gibt es zwei verschiedene Prozesse. Zum einen ist Neutronenstrahlung in der Lage, Elemente umzuwandeln. Wenn man Eisen mit Neutronen bestrahlt, dann entsteht gemäß der Gleichung

58Fe + n -> 59Co + β- + 1,565MeV

Kobalt. Damit verändert sich die Zusammensetzung der Legierung. Noch schwerwiegender ist, das Atome von Neutronen auch aus ihren Gitterpositionen herausgekickt werden können und damit Fehlstellen im Metallgefüge entstehen. Das ist deshalb wichtig, weil Fehlstellen und deren Häufigkeit und Anordnung im Metallgefüge essentiell auf die Festigkeitseigenschaften eines Werkstücks einwirken. Das man Stahl durch nichtschmelzende Temperaturbehandlungen hart oder weich machen kann, hat seinen Ursprung in der Tatsache das der Temperaturverlauf Fehlstellen erzeugen oder heilen kann, je nachdem wie man es macht.

Um für diese Problemfälle auf der sicheren Seite zu sein, werden im Inneren des Reaktordruckbehälter, wo der Neutronenstrom am größten ist, Materialproben aufgehängt. Bei jeder Revision wird eine Entnommen, und unter anderem in ein Zerreiß versuch auf ihre Festigkeit hin untersucht. Außerdem werden die Reaktordruckbehälter, den man auch Kessel, Druckbehälter, Reaktorgefäß, oder Reaktorbehälter nennt, regelmäßig während der Revisionen mit Ultraschall untersucht.

Jetzt ist in Belgien etwas beunruhigendes Passiert. Die Ultraschalluntersuchung wurde mit einem neuartigen, genaueren Verfahren untersucht, und dieses Hat etwas gefunden was auf eine Veränderung hin zur Mikrorissbildung in dem Material des Kessels hindeutet. Das Problem dabei, wenn die mal eine bestimmte kritische Größe erreicht haben, dann geht alles sehr schnell, und das Reaktordruckgefäß zerreißest. Und dieser Unfall wäre ein Super GAU, weil kein Sicherheitssystem dies abfangen kann. Kein wunder, man hat die Möglichkeit dieses Unfalls ja wegdiskutiert.

Wie kann so etwas passieren? Nur wer sagt eigendlich, das die Langzeitwirkung der Neutronen auf das Metallgefüge und seine Fehlstellen die gleiche ist, wenn das Material nur in der Suppe hängt, oder wenn es in der Kesselwand unter ordentlich Zug steht, und von daher sich auch auf Atomarer ebene die Elementarzellen gedehnt werden. Das solche mechanische Spannungen Einwirkungen auf Materialreaktionen haben, das habe ich wiederholt gelesen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Halbleitern. Ich befürchte, das man dieses mal eben rotzfrech und stillschweigend vorausgesetzt hat.

Die Belgische Regierung hat jetzt alle Staaten gebeten, ihre Atomkraftwerke mit Baugleichen Kesseln zu überprüfen. Ein weiteres dieser Atomkraftwerke befindet sich in Belgien, und wurde heruntergefahren und wird in den nächsten Tagen mit dem neuen Verfahren einer Sonderüberprüfung unterzogen.

Man weiß das es noch 21 weitere Baugleiche Kessel gibt, man weiß aber nicht wo, weil es den Hersteller nicht mehr gibt. Da Frag ich mich schon, was für Verantwortungslose Leute für die Atomindustrie tätig sind. Wenn man eine Firma auflöst, die ein so dermaßen Sicherheitsrelevante Bauteile hergestellt hat, dann kann man doch nicht einfach die Verkaufsunterlagen entsorgen. Solche Unterlagen bei einem Archiv zu hinterlegen wäre doch das Mindeste an Sorgfalt, das man erwarten dürfte. Da Arbeiten wohl viele, die dafür schlicht und einfach charakterlich nicht geeignet sind.

Bin wirklich gespannt, was bei der Überprüfung raus kommt. Wenn es ein Systematischer Fehler ist, dann müssen die 21 Kraftwerke vom Netz. Wenn das Problem auch bei anderen, ähnlichen Herstellungsverfahren auftritt, eventuell sogar noch viel mehr. Die jetzt noch laufenden Atomkraftwerke bei uns haben keine Reaktordruckbehälter vom fraglichen Hersteller, ob eventuell eines der bereits Stillgelegten einen solchen besitzt, ist noch nicht geklärt. Wäre aber sinnvoll, weil man dann an dessen Material auch durch die Zuverlässigeren zerstörenden Testverfahren das Material überprüfen könnte, um Klarheit über die Detektierten Veränderungen zu gewinnen.

Erwähnenswert ist auch, das der gerade erst abgeschlossene Stresstest keinerlei Hinweise in dieser Richtung geliefert hat. Es wurden also nur wieder Vorgänge untersucht, die im Zusammenhang mit den Vorgängen in Fukushima stehen. Auch ist das Unabhängigkeitsproblem bei dem europäischen Stresstest nicht genügend beachtet und Thematisiert worden.

Nachtrag 21.08: Inzwischen wurden mit dem neuen Ultraschall Verfahren 8000 Risse in Reaktordruckbehälter von Doel gefunden.

Die nicht mehr existente Firma lieferte neben den Belgischen AKW Doel und Tihange, bei denen der neue Typ des Sicherheitsproblems nach einem Hinweis aus Frankreichs AKW Tricastin entdeckt wurde, unter anderem die Reaktordruckbehälter für Brunsbüttel und Philippsburg 1 in Deutschland, beide wegen des Atomausstieg II bereits stillgelegt, Leibstadt und Mühleberg in der Schweiz, beider werden von der dortigen Atomaufsicht geprüft, sowie die AKW Santa Maria de Garoña und Cofrentes in Spanien. Allerdings reagierte die spanische Atomaufsicht im Gegensatz zu der aus der Schweiz bisher nicht. Und das, obwohl Garoña eine Schwesteranlage der Anlage aus Fukushima ist, inklusive der bereits seit 1977 bekannten Defizite an der Notkühlung. Ob da jemand noch seine Aufstellung bezüglich angenehmer Zuwendungen sortieren muss? Oder ist das Santa Maria integraler Bestandteil des Sicherheitskonzepts?

In Anbetracht der Vorherrschenden westlichen Winde halte ich es für Dringend geboten, in den Stillgelegten Meiler in Brunsbüttel und Philippsburg 1 Proben aus dem Reaktordruckgefäß zu entnehmen und den Zustand des Material mit der Vollen Breite der forensischen Verfahren, also auch den Material verbrauchenden, zu untersuchen. Ein direkter, offensichtlicher Nachweis der Probleme wird vermutlich den unmittelbaren Druck auf die Behörden hoffentlich so weit erhöhen, das weitere schwere Atomunfälle die bei einem Platzen von Reaktordruckgefäßen unvermeidlich sind, unterbleiben.

Aber auch die anderen AKW wären bei so einem Nachweis extremst angezählt. Da bestimmte Unfälle, unter anderem das Platzen des Reaktordruckgefäß, auf dem Papier im Wege der Qualitätssicherung wegdiskutiert wurden, wäre damit eben auch Bewiesen, das die Systematik der atomrechtlichen Genehmigungsverfahren neben der falschen Wahrscheinlichkeitstheoretischen Betrachtungen in einem weiteren schwerwiegenden Punkt fehlerhaft sind, weil dieses katastrophale Problem eben nicht korrekt behandelt worden ist, und seine Entdeckung überhaupt nur dem Fortschritt der zerstörungsfreien Materialprüfung zu verdanken ist. Also im Grunde genommen alle atomrechtlichen Genehmigungen zu widerrufen sind!

Der physische Beweis eines weit verbreiteten Problem mit den Atomkraftwerken wäre aber auch von daher geeignet den Ausstiegsgedanken bei notorischen Befürwortern der Atomkraft voran zu bringen, als das sich die intransparenten Ratingagenturen endlich mal des Problems der atomaren Sicherheit annehmen müssten. Länderratings wurden in der Vergangenheit schon gesenkt, wenn es zu Problemen mit der Stromversorgung kommt. Das ist kein Wunder, denn das ist ein Massives Produktions- und damit Wettbewerbsproblem. Je größer die Abhängigkeit vom Atomstrom und je größer die Wahrscheinlichkeit, das abgeschaltet werden muss, umso größer muss der Negativoffset beim Rating sein. Ich habe j schon mal vorgerechnet, das ein AAA Rating für Frankreich alleine aus atomaren Gründen nicht haltbar ist. Vermutlich müsste man Frankreich bis in den B Bereich herab stufen, wegen seiner Abhängigkeit von der Atomenergie.

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